Ein umfassender Überblick über Borprodukte: Von Pentahydrat-Borax bis DOT – eine Reise durch Landwirtschaft und Industrie
- Dongxu Li

- 27. Aug.
- 13 Min. Lesezeit
I. Einleitung: Der übersehene „Mikroheld“
In der Landwirtschaft richten sich die Blicke meist zuerst auf die drei Hauptelemente Stickstoff, Phosphor und Kalium. Danach folgt die Aufmerksamkeit für Calcium, Magnesium und Schwefel. Spurenelemente wie Bor, Zink, Eisen oder Mangan hingegen gelten oft als „Nebendarsteller“. Dabei sind es gerade diese scheinbar unbedeutenden Nährstoffe, die häufig den entscheidenden Unterschied machen: Ob eine Pflanze richtig blüht, ob Früchte ausreifen oder ob die Erträge marktfähig sind.
Bor ist ein solches „unsichtbares Multitalent“. Obwohl sein Anteil in der Pflanze äußerst gering ist, bestimmt es, ob Pollenschläuche wachsen, ob Früchte sich ausbilden und ob die Pflanze Zucker und Nährstoffe effizient transportieren kann. Ein Bor-Mangel führt dazu, dass Blüten zwar geöffnet werden, aber keine Früchte entstehen – ein Problem, das besonders bei Obst- und Gemüsebauern gravierende wirtschaftliche Folgen haben kann.
Doch Bor spielt nicht nur auf dem Acker eine Rolle. In der Industrie ist es ein unverzichtbarer Rohstoff für Glas, Keramik, Waschmittel, Flammschutzmittel oder Holzschutz. Laborgeräte aus hitzebeständigem Glas, Kochgeschirr aus Borosilikat oder Glasfaserdämmungen im Bauwesen – all diese Produkte sind ohne Bor nicht denkbar.
Im „Bor-Universum“ stehen vier Produkte im Mittelpunkt:
Borax-Pentahydrat (Na₂B₄O₇·5H₂O)
Borax-Decahydrat (Na₂B₄O₇·10H₂O)
Borsäure (H₃BO₃)
Dinatrium-Octaborat-Tetrahydrat (DOT, Na₂B₈O₁₃·4H₂O)
Sie sind chemisch eng verwandt, unterscheiden sich aber in Eigenschaften, Anwendungen und Marktpositionierung. Dieser Artikel beleuchtet ihre chemischen Merkmale, ihre Rolle in Landwirtschaft und Industrie sowie die Frage, welche Borquelle sich für NPK+TE-Wasserlösliche Dünger am besten eignet.
II. Chemische und geologische Grundlagen von Bor: Vom Erz zum Produkt
1. Vorkommen in der Natur
Bor gehört mit einem durchschnittlichen Gehalt von nur ca. 10 ppm zu den eher seltenen Elementen der Erdkruste. Es tritt jedoch nicht isoliert auf, sondern bevorzugt in Form von Boraten, die mit Natrium, Calcium oder Magnesium komplexe Minerale bilden.
Die wichtigsten Bor-Minerale sind:
Borax (Na₂B₄O₇·10H₂O): das klassische Zehnwasser-Borax, weltweit am häufigsten vorkommendes Borsalz.
Kernit (Na₂B₄O₇·4H₂O): bedeutendes Mineral in Kalifornien und der Türkei.
Colemanit (CaB₃O₄(OH)₃·H₂O): wichtiger industrieller Rohstoff.
Ulexit („TV-Stein“): bekannt für seine lichtleitenden Eigenschaften.
Die größten Bor-Vorkommen liegen in der Türkei, den USA (Kalifornien) und in Südamerika (Chile, Argentinien). Laut USGS entfallen über 70 % der weltweiten Reserven auf die Türkei, womit das Staatsunternehmen Eti Maden eine marktbeherrschende Stellung innehat.
2. Chemische Eigenschaften
Bor zeichnet sich durch mehrere Besonderheiten aus:
Vielfältige Bindungsformen: Bor kann in der Form von B(OH)₃, B₄O₇²⁻, B₈O₁₃²⁻ auftreten, wodurch zahlreiche Borate entstehen.
Gute Löslichkeit: Die meisten Borate lösen sich gut in Wasser, und ihre Löslichkeit nimmt mit steigender Temperatur deutlich zu.
Glasbildner: Borsauerstoff-Gruppen (BO₃, BO₄) können Netzwerke bilden, was Bor zu einem essenziellen Bestandteil der Glasindustrie macht.
3. Vom Rohstoff zum Endprodukt
Die industrielle Herstellung von Boraten und Borsäure erfolgt in mehreren Schritten:
Bergbau: Abbau von Borax- oder Colemanit-Lagerstätten.
Laugung und Kristallisation: Heißwasser-Extraktion, Abtrennung und Kristallisation unterschiedlicher Hydratstufen (z. B. Pentahydrat vs. Decahydrat).
Weiterverarbeitung: Durch Säurebehandlung kann Borsäure gewonnen werden; unter kontrollierten Bedingungen lassen sich konzentrierte Salze wie DOT herstellen.
So erklärt sich, warum am Markt parallel Borax-Pentahydrat, Borax-Decahydrat, Borsäure und DOT existieren: Sie sind verschiedene Hydrat- oder Salzformen derselben Grundchemie – und erfüllen unterschiedliche Anforderungen in Praxis und Industrie.
III. Vier Hauptprodukte im Detail
3.1 Borax-Pentahydrat (Na₂B₄O₇·5H₂O)
Borax-Pentahydrat entsteht durch teilweise Dehydratisierung von Decahydrat-Borax und liegt als weißes Kristallpulver oder granulierte Form vor. Es enthält etwa 14,8 % Bor (als B) bzw. ca. 48 % B₂O₃ und gehört zu den am weitesten verbreiteten Borprodukten in Industrie und Landwirtschaft.
Industrielle Anwendung:
In der Glasindustrie ist Borax-Pentahydrat ein unverzichtbarer Rohstoff. Es senkt den Schmelzpunkt, verbessert die thermische Stabilität und erhöht die Transparenz. Borhaltige Gläser sind widerstandsfähiger gegen Temperaturschocks – Laborgeräte, hitzebeständiges Kochgeschirr oder Solargläser wären ohne Bor nicht denkbar.
Auch in der Keramik- und Emaille-Produktion wirkt es als Flussmittel und sorgt für glänzende, chemikalienresistente Oberflächen.
In der Metallurgie dient es als Schmelzmittel oder Schutzschicht.
Landwirtschaftliche Anwendung:Borax-Pentahydrat wird vor allem bei Feldkulturen wie Baumwolle, Raps oder Mais eingesetzt – meist als Grunddüngung oder über Bewässerungssysteme. Der Vorteil liegt in den niedrigen Kosten und der mittelhohen Bor-Konzentration. Der Nachteil: Es löst sich langsamer als Borsäure und bringt Natriumionen ein, was in salzempfindlichen Böden oder Kulturen problematisch sein kann.
Marktpositionierung:Ein „Allround-Produkt“ für Landwirtschaft und Industrie – mit stabiler Nachfrage und großen Handelsvolumina.
3.2 Borax-Decahydrat (Na₂B₄O₇·10H₂O)
Borax-Decahydrat ist die natürliche Hauptform von Borax und enthält etwa 11,3 % Bor (als B) bzw. rund 36 % B₂O₃. Es kristallisiert als farbloses bis weißes Mineral mit hoher Wasseraufnahmefähigkeit und guter Stabilität.
Industrielle Anwendung:
Hauptsächlich in der Waschmittel- und Reinigungsmittelindustrie als pH-Puffer und Wasserenthärter.
In Waschpulvern verhindert es, dass Calcium- und Magnesiumionen die Waschwirkung beeinträchtigen, und verstärkt die Reinigungsleistung von Tensiden.
Es wird außerdem in Korrosionsinhibitoren, Glas und Keramik eingesetzt – hier aber zunehmend durch höher konzentrierte Produkte wie Pentahydrat oder Borsäure verdrängt.
Landwirtschaftliche Anwendung:Kaum relevant. Aufgrund des geringen Bor-Gehalts, der hohen Kristallwasser-Menge und der Transportnachteile wird Decahydrat in modernen Düngemittel-Formulierungen fast nicht mehr genutzt. Gelegentlich findet man es in sehr günstigen Produkten, im Premiumsegment spielt es jedoch keine Rolle.
Marktpositionierung:Ein traditionelles, stark industrieorientiertes Produkt, das im landwirtschaftlichen Einsatz weitgehend marginalisiert ist.
3.3 Borsäure (H₃BO₃)
Borsäure ist eines der bekanntesten Borprodukte und liegt als weißes Kristallpulver oder in schuppiger Form vor. Sie enthält etwa 17,5 % Bor (als B) bzw. ca. 56 % B₂O₃ und weist eine sehr gute Wasserlöslichkeit auf.
Landwirtschaftliche Anwendung:
Borsäure gilt als Premium-Bordünger.
Sie ist schnell löslich, flexibel einsetzbar und besonders für Blattdüngung, Fertigation (Tröpfchenbewässerung) oder Flüssigdünger geeignet.
Sie ist die erste Wahl bei Obstbäumen (Zitrus, Apfel), Gemüse (Tomate, Blumenkohl), Reben oder Tee.
Ihr größter Vorteil: kein Natriumgehalt, was sie prädestiniert für empfindliche Kulturen, Gewächshausanwendungen und salzbelastete Böden.
Industrielle Anwendung:
In der Glasfaserproduktion steigert Borsäure die Festigkeit und Hitzebeständigkeit.
In Flammschutzmitteln wirkt sie durch Bildung einer glasartigen Schutzschicht, die Sauerstoff und Hitze abschirmt.
In der Medizin diente sie lange als Desinfektionsmittel und in Augentropfen; moderne Anwendungen sind zurückgegangen, aber in Spezialbereichen bleibt sie wichtig.
Marktpositionierung:Ein „Doppelstar“ zwischen Landwirtschaft und Industrie – universell einsetzbar, mit wachsender Bedeutung in hochwertigen Anwendungen.
3.4 Dinatrium-Octaborat-Tetrahydrat (DOT, Na₂B₈O₁₃·4H₂O)
DOT ist ein vergleichsweise modernes Borprodukt mit besonders hoher Konzentration: 20,5 % Bor (als B) bzw. rund 67 % B₂O₃. Es erscheint als weißes Pulver oder Kristall, löst sich schnell und bildet klare, stabile Lösungen.
Landwirtschaftliche Anwendung:
DOT wird zunehmend als hochkonzentrierte Borquelle in Wasserlöslichen Düngern eingesetzt.
Besonders geeignet für Tröpfchenbewässerung und Flüssigdüngung in hochwertigen Kulturen wie Weintrauben, Gemüse im Gewächshaus oder Zierpflanzen.
Vorteil: Kleine Mengen reichen aus, um den Borbedarf zu decken → geringere Transport- und Lagerkosten.
Industrielle Anwendung:
DOT ist das wichtigste Borprodukt für die Holzschutzmittel-Industrie.
Es schützt Holz effektiv vor Pilzen, Insekten und Termiten und verlängert so die Lebensdauer von Bauholz im Innen- und Außenbereich.
Aufgrund seiner geringen Toxizität gilt es als nachhaltige Alternative zu früheren, umweltbelastenden Holzschutzmitteln.
Marktpositionierung:Ein „High-Performer“ – in der Landwirtschaft wegen Effizienz und Konzentration geschätzt, in der Holzindustrie nahezu alternativlos.
Zusammenfassung
Borax-Pentahydrat → preisgünstig, vielseitig, Standard in Glasindustrie und Feldkulturen.
Borax-Decahydrat → günstiger, aber geringer Bor-Gehalt; heute fast nur in Waschmitteln.
Borsäure → hochrein, natriumfrei, schnell löslich; Favorit für hochwertige Landwirtschaft und Spezialindustrien.
DOT → höchste Konzentration, vielseitig; das Zukunftsprodukt für Präzisionslandwirtschaft und Holzschutz.
Diese vier Produkte bilden die „Bor-Familie“, die je nach Anwendungsbereich verschiedene Rollen übernimmt – mal als Basischemikalie, mal als Premium-Dünger oder nachhaltiger Holzschutz.
IV. Bor in der Landwirtschaft: Der „unsichtbare Ernährungsberater“ der Pflanzen
Wenn Stickstoff, Phosphor und Kalium die „Grundnahrung“ der Pflanzen darstellen, dann ist Bor so etwas wie das unscheinbare, aber unverzichtbare „Gewürz“. Obwohl der Bedarf extrem gering ist, können schon kleine Defizite gravierende Folgen haben.
4.1 Physiologische Funktionen von Bor
Zellwandbildung und Stabilität
Bor ist an der Synthese von Pektinen beteiligt und somit entscheidend für die Bildung und Stabilität der Zellwand. Bei Bor-Mangel sind Zellwände instabil, Sprosse brechen leicht, und Meristeme sterben ab.
Pollenkeimung und Pollenschlauchwachstum
Bor fördert die Keimung der Pollen und das schnelle Wachstum der Pollenschläuche. Fehlt Bor, öffnen sich zwar Blüten, aber die Befruchtung bleibt aus – das Resultat: Blüten ohne Früchte.
Transport und Metabolismus von Zucker
Bor bildet Komplexe mit Zuckern und erleichtert deren Transport im Phloem. Dadurch steigt der Zuckergehalt der Früchte, die Ausfärbung verbessert sich, und das Aroma wird intensiver.
Wurzelentwicklung und Stresstoleranz
Bor stimuliert die Wurzelbildung, fördert die Ausbildung von Seitenwurzeln und erhöht die Widerstandsfähigkeit gegen Trockenheit und Krankheiten. Besonders in der Jungpflanzenphase ist Bor entscheidend.
📌 Kurz gesagt: Bor ist im Pflanzenkörper Architekt (Zellwand), Vermittler (Bestäubung), Transporteur (Zucker) und Bodyguard (Stressresistenz) zugleich.
4.2 Symptome von Bormangel
Bor-Mangel äußert sich meist zuerst an schnell wachsenden Pflanzenteilen wie Spitzen, Blüten oder jungen Früchten, da Bor in der Pflanze kaum verlagert wird. Typische Symptome sind:
Baumwolle: Absterben der Vegetationsspitzen („Terminale sterben ab“), deformierte oder abgeworfene Kapseln.
Raps: Blütenbildung ohne Fruchtansatz, Schoten bleiben leer.
Mais: Hohlstängel, schlechte Pollenqualität, Kolben mit unvollständiger Körnerbildung.
Obstbäume (Apfel, Zitrus): Rissige, verkrustete Schale, deformierte Früchte, höherer Anteil nicht marktfähiger Ware.
Tee: Junge Blätter werden dick, spröde und wachsen kaum.
Gemüse (Blumenkohl, Tomate): Herz- oder Spitzenfäule, Blumenkohl bildet keine Köpfe, Tomaten setzen weniger Früchte an.
Man spricht daher oft vom „Blüten- und Fruchtbarkeits-Effekt“ des Bors: Fehlt es, leiden Blüte, Befruchtung und Ertrag sofort.
4.3 Unterschiedliche Borbedarfe der Kulturen
Nicht alle Pflanzen benötigen gleich viel Bor. Einige sind besonders „borliebend“, andere kommen mit geringen Mengen aus.
Hoher Bedarf: Baumwolle, Raps, Zuckerrüben, Tee, Sonnenblume, Wein.
Mittlerer Bedarf: Getreide wie Weizen, Reis, Mais.
Relativ tolerant: Hülsenfrüchte, Kartoffeln.
Auch die Böden spielen eine Rolle:
Sandböden und saure Böden sind besonders anfällig für Bor-Mangel (Auswaschung).
Nahe Borminen hingegen droht „Bor-Überversorgung“, was ebenfalls toxisch wirken kann (Blattnekrosen, Wachstumsdepression).
4.4 Anwendungsformen von Bor in der Landwirtschaft
Grund- oder Bodendüngung
Typische Produkte: Borax-Pentahydrat, Bor-Magnesium-Dünger.
Vorteil: Langfristige Versorgung des Bodens.
Nachteil: Langsame Wirkung, Fixierung möglich.
Fertigation (Bewässerungsdüngung) / Flüssigdüngung
Typische Produkte: Borsäure, DOT.
Vorteil: Sehr effizient, hohe Pflanzenverfügbarkeit.
Nachteil: Regelmäßige Anwendung nötig.
Blattdüngung
Typische Produkte: Borsäure, DOT.
Vorteil: Schnell wirksam, hohe Aufnahmequote.
Nachteil: Konzentration streng zu kontrollieren (Borsäure i.d.R. 0,1–0,3 %), sonst Phytotoxizität.
Saatgutbehandlung
Typische Produkte: Borsäure.
Vorteil: Fördert Keimung und frühes Wachstum.
Nachteil: Sehr enge Dosierungsfenster, Überdosierung leicht möglich.
📌 Empfehlung:
Feldkulturen → Grunddüngung mit Borax + ggf. Blattdüngung.
Obst, Gemüse, Spezialkulturen → Fertigation und Blattdüngung mit Borsäure oder DOT.
4.5 Marktentwicklung in der Landwirtschaft
Mit der Weiterentwicklung der Landwirtschaft zeichnen sich folgende Trends ab:
Präzisionsdüngung → Statt „Breitbandgabe“ setzt man auf zielgerichtete Anwendungen. Borsäure und DOT gewinnen an Bedeutung, während Decahydrat verschwindet.
Gewächshaus- und Bewässerungslandwirtschaft → Fertigation wird Standard, was den Bedarf an hochlöslichen Borquellen erhöht.
Änderung der Kulturstruktur → Mehr Obst- und Gemüseanbau führt zu steigendem Borbedarf.
Natriumreduzierte Formulierungen → In salzsensiblen Kulturen (z. B. Erdbeeren, Weintrauben) wird bevorzugt Borsäure eingesetzt.
Analysten erwarten ein jährliches Wachstum des globalen Bor-Düngermarktes von etwa 3–5 % in den nächsten 5–10 Jahren. Besonders Borsäure und DOT gelten als die „Wachstumsprodukte“ der Zukunft.
Zwischenfazit
Bor ist in der Landwirtschaft das Paradebeispiel für ein „kleines Element mit großer Wirkung“. Ein Sprichwort unter Landwirten lautet:„Ein Prozent Bor-Mangel bedeutet zehn Prozent Ertragsverlust.“
Für Grunddüngung großer Flächen → Borax-Pentahydrat.
Für hochwertige Kulturen → Borsäure und DOT.
Für Blattdüngung → Borsäure (schnell, sicher).
Für Fertigation und Premium-Segment → DOT (konzentriert, effizient).
V. Bor in der Industrie: Das „unsichtbare Fundament“ moderner Technologien
Wenn Bor in der Landwirtschaft der „Ernährungsberater“ ist, so bildet es in der Industrie das stille Fundament zahlreicher Schlüsseltechnologien. Viele Produkte, die uns im Alltag selbstverständlich erscheinen, wären ohne Borverbindungen nicht denkbar.
5.1 Glasindustrie: Das Geheimnis von Transparenz und Hitzebeständigkeit
Die Glasindustrie ist mit über 40 % Anteil der größte Abnehmer von Borprodukten weltweit.
Borax-Pentahydrat und Borsäure sind die Hauptrohstoffe.
Bor senkt den Schmelzpunkt, erhöht die chemische und thermische Stabilität und verbessert die optische Transparenz.
Typische Anwendungen:
Borosilikatglas (Laborgeräte, Kochgeschirr): widersteht extremen Temperaturwechseln.
Glasfasern (Isolierung, Automobilbau): hohe Festigkeit bei geringem Gewicht.
Solarglas: in Photovoltaikanlagen sorgt Bor für hohe Lichtdurchlässigkeit und Witterungsbeständigkeit.
Ohne Bor gäbe es kein hitzebeständiges Glas für Labore, keine energieeffiziente Wärmedämmung und keine zuverlässigen Solarpaneele.
5.2 Keramik und Emaille: Glanz und Härte
Auch in der Keramik- und Emailleproduktion ist Bor unverzichtbar:
Borax-Pentahydrat dient als Flussmittel, das die Brenntemperatur senkt.
Borsäure erhöht die chemische Resistenz und die Lebensdauer der Produkte.
Beispiele:
Hochwertige Boden- und Wandfliesen erhalten durch Bor ihre glänzende Oberfläche.
Sanitärkeramik wird durch Borzusatz widerstandsfähiger gegen aggressive Reinigungsmittel.
Bor sorgt somit nicht nur für Funktionalität, sondern auch für das ästhetische Erscheinungsbild von Keramikprodukten.
5.3 Wasch- und Reinigungsmittel: Die versteckte Kraft im Haushalt
Borax-Decahydrat spielt in der Reinigungsmittelindustrie eine wichtige Rolle.
Es wirkt als pH-Puffer und sorgt für eine konstante Alkalität der Waschlösung.
Es bindet störende Härtebildner (Calcium, Magnesium) und verhindert so Kalkablagerungen.
Es verbessert die Reinigungswirkung von Tensiden und stabilisiert die Schaumstruktur.
In klassischen Waschmitteln ist Borax bis heute Bestandteil vieler Formulierungen, auch wenn in einigen Regionen (z. B. EU) strengere Umweltauflagen den Einsatz einschränken. In Märkten wie Lateinamerika oder Nahost bleibt Decahydrat jedoch verbreitet.
5.4 Flammschutz und Korrosionsschutz: Sicherheit durch Bor
Borverbindungen leisten auch einen wichtigen Beitrag zum Brandschutz und Korrosionsschutz.
Borsäure bildet bei Hitze eine glasartige Schicht, die Sauerstoff und Wärme abschirmt – eine einfache, aber effektive Flammschutzwirkung.
In Papier, Textilien und Holz werden Borverbindungen eingesetzt, um die Entflammbarkeit zu reduzieren.
Borax wird in Korrosionsschutzmitteln als Inhibitor verwendet, um Metalloberflächen vor Oxidation zu bewahren.
Beispiel: In Kabelummantelungen oder Dämmmaterialien verhindert Borsäure, dass sich Brände unkontrolliert ausbreiten.
5.5 Holzschutz: DOT als Spezialist
Im Holzschutz nimmt Dinatrium-Octaborat-Tetrahydrat (DOT) eine zentrale Stellung ein.
DOT-Lösungen dringen tief in das Holz ein und schützen es zuverlässig vor Pilzen, Schimmel und Termiten.
Besonders in Nordamerika und Europa wird DOT in der Bauindustrie eingesetzt, um die Lebensdauer von Holzkonstruktionen im Außen- und Innenbereich zu verlängern.
Vorteile: hohe Wirksamkeit, geringe Toxizität, nachhaltige Alternative zu früheren, stark umweltbelastenden Holzschutzmitteln.
Einsatzbeispiele: Terrassen, Pergolen, Brücken, Holzzäune – überall dort, wo Holz der Witterung ausgesetzt ist.
5.6 Medizin und Spezialanwendungen: Klein, aber bedeutend
Auch in der Medizin spielt Bor eine Rolle:
Borsäure wurde lange Zeit als mildes Antiseptikum und in Augentropfen eingesetzt (heute eingeschränkt).
In der modernen Onkologie wird BNCT (Boron Neutron Capture Therapy) erforscht – ein innovativer Ansatz zur Krebsbehandlung, bei dem Bor-Atome gezielt in Tumorzellen eingebracht und anschließend mit Neutronen bestrahlt werden.
Darüber hinaus:
Borate in Elektronik-Keramiken.
Metallurgie: Schmelzmittel, Legierungszusätze.
Pflanzenschutz: Bestandteil bestimmter Pestizidformulierungen.
Zusammenfassung
Die Industrie kann auf Bor nicht verzichten. Es ist das „unsichtbare Fundament“ für:
Glas (Borosilikat, Glasfaser, Solarglas),
Keramik und Emaille,
Reinigungs- und Waschmittel,
Flammschutz und Korrosionsschutz,
Holzschutz (DOT als Schlüsselprodukt),
Medizin und Hightech-Anwendungen.
Bor ist in industriellen Wertschöpfungsketten allgegenwärtig, auch wenn der Endverbraucher es kaum bemerkt.
VI. Bor in NPK+TE-Wasserlöslichen Düngern: Die Entscheidung der Formulierungsingenieure
Mit der Verbreitung von wasserlöslichen NPK-Düngern (WSF) und der zunehmenden Bedeutung der Präzisionslandwirtschaft rückt die Frage nach der optimalen Borquelle immer stärker in den Vordergrund. Obwohl Bor nur ein Spurenelement ist, entscheidet die Wahl des Rohstoffs über Qualität, Verträglichkeit und Wirtschaftlichkeit der Formulierung.
6.1 Auswahlkriterien für Borquellen
Natriumgehalt (Na)
In Gewächshäusern oder bei salzempfindlichen Kulturen (z. B. Reben, Tomaten, Erdbeeren) ist eine Minimierung des Natriums entscheidend.
Hier hat Borsäure klare Vorteile: Na-frei, schnell löslich, sicher.
Borgehalt und Transporteffizienz
Für große Produktionsvolumina und Exportmärkte zählt das Verhältnis von Boranteil zu Transportkosten.
DOT ist unschlagbar: mit 20,5 % B höchste Konzentration, geringste benötigte Mengen, kosteneffizient.
Kostendruck in Standardrezepturen
Bei universellen, preisgetriebenen Formulierungen ist Borax-Pentahydrat aufgrund seiner Stabilität und Kostenstruktur attraktiv.
Borax-Decahydrat
Mit nur 11,3 % B und hoher Kristallwasser-Menge ist es für moderne WSF-Formulierungen ungeeignet. Es wird kaum noch verwendet.
6.2 Formulierungsbeispiele
20-20-20+TE (Universal-Wasserlöslicher Dünger)
→ Borquelle: DOT oder Pentahydrat-Borax – solide, kostengünstig, gut mischbar.
13-40-13 oder 10-52-10 (Phosphorreiche Blatt- und Startdünger)
→ Borquelle: Borsäure – niedriger pH, schnelle Aufnahme, blattspritzgeeignet.
NPK+Ca+TE-Formulierungen (mit Calcium oder Magnesium)
→ Borquelle: DOT – bessere Kompatibilität, geringeres Ausfällungsrisiko.
Fertigation im Gewächshaus
→ Borquelle: DOT oder Borsäure – hohe Löslichkeit, klare Lösungen, keine Verstopfung in Tropfleitungen.
6.3 Berechnungsbeispiel: Zielgehalt 0,1 % B in einem 25-kg-Sack
Formel: Rohstoffbedarf (g) = Ziel-Bor (g) ÷ B-Anteil der Quelle
👉 Ergebnis: DOT ist am effizientesten, Borsäure am sichersten, Pentahydrat ein solider Kompromiss.
6.4 Technische Hinweise für die Praxis
Kompatibilität
Borsäure ist in sauren Lösungen stabil, kann aber mit alkalischen Komponenten ausfallen.
DOT ist in den meisten Formulierungen kompatibel, erhöht jedoch leicht den Na-Gehalt.
Verklumpung vermeiden
Borsäure neigt zur Hygroskopie → Antibackmittel und feuchtigkeitsdichte Verpackung erforderlich.
Pentahydrat und DOT sind granuliert oder kristallin, weniger anfällig.
Blattdüngung
Borsäure: 0,1–0,3 % üblich, höhere Konzentrationen riskant.
DOT: ebenfalls wirksam, aber Dosierung streng kontrollieren.
Kennzeichnung und Rechtliches
Bor muss als „B (wasserlöslich, in %)” ausgewiesen werden.
EU-FPR, US-AAPFCO oder nationale Standards (z. B. China NY/T) sind einzuhalten.
6.5 Markttrends
Präzisionslandwirtschaft: steigender Bedarf an hochlöslichen Borquellen.
DOT und Borsäure bilden zunehmend die „Doppelspitze“ im Premiumsegment:
Borsäure = sicher, Na-frei, blattfreundlich.
DOT = konzentriert, transport- und kosteneffizient.
Borax-Pentahydrat bleibt Standard in kostensensitiven Massenmärkten.
Borax-Decahydrat verliert Bedeutung und verschwindet zunehmend.
Zwischenfazit
Die Wahl der Borquelle in NPK+TE-Düngern ist keine reine Preisfrage, sondern hängt ab von:
Kulturtyp,
Düngemethode (Boden, Blatt, Fertigation),
Formulierungsstruktur (mit Ca/Mg oder ohne),
Marktpositionierung (Massenprodukt vs. Premium).
Kurz gesagt:
Sicherheit & Na-frei → Borsäure.
Höchste Effizienz → DOT.
Kostenoptimierung → Borax-Pentahydrat.
Decahydrat → kaum noch relevant.
VII. Anschauliche Analogien: Die „vielen Gesichter“ des Bors
In der Welt der Chemie ist Bor ein Spurenelement – doch betrachtet man seine Anwendungen, zeigt es sich als wahres Multitalent.
In der Landwirtschaft ist Bor der „Ernährungsberater“. Es sorgt dafür, dass Pflanzen gesund wachsen, Blüten befruchtet werden und Früchte süß und lagerfähig sind.
In der Glasindustrie ist Bor der „unsichtbare Ingenieur“. Es verbessert Transparenz und Hitzebeständigkeit – ohne Bor gäbe es kein modernes Labor- oder Solarglas.
In Wasch- und Reinigungsmitteln ist Bor der „Sauberkeitsprofi“. Borax-Decahydrat stärkt die Waschleistung und puffert den pH-Wert.
Im Holzschutz ist Bor der „Wächter“. DOT schützt Bauholz vor Pilzen und Termiten – zuverlässig und nachhaltig.
In der Medizin und Forschung ist Bor der „Arzt und Wissenschaftler“. Von mildem Antiseptikum bis zur modernen Bor-Neutronen-Therapie in der Onkologie.
Wenn man die vier Hauptprodukte personifiziert:
Borax-Pentahydrat = der „fleißige Arbeiter“: günstig, universell, überall einsetzbar.
Borax-Decahydrat = der „stille Helfer“: in Waschmitteln präsent, aber zunehmend im Hintergrund.
Borsäure = der „präzise Arzt“: sicher, na-frei, für empfindliche Kulturen und Hightech-Anwendungen.
DOT = der „leistungsstarke Athlet“: hochkonzentriert, effizient, in Premiumlandwirtschaft und Holzschutz unentbehrlich.
So wird deutlich: Bor ist klein in der Menge, aber groß in der Wirkung.
VIII. Zukunftsperspektiven: Bor zwischen grüner Landwirtschaft und Hightech
Borprodukte haben ihre klassischen Anwendungsfelder – Glas, Landwirtschaft, Waschmittel – längst etabliert. Doch die Zukunft eröffnet neue Horizonte.
8.1 Landwirtschaft: Präzision und Nachhaltigkeit
Präzisionslandwirtschaft: Mit Tröpfchenbewässerung und digitaler Steuerung steigt der Bedarf an DOT und Borsäure.
Kulturwandel: Mehr Obst- und Gemüseanbau → höherer Borbedarf.
Nachhaltigkeit: Weniger Natrium in Formulierungen, mehr Fokus auf umweltfreundliche und pflanzenspezifische Lösungen.
Wasserlösliche NPK+TE-Dünger: Hier werden Borquellen wie DOT den Standard setzen.
8.2 Industrie: Neue Materialien und Energietechnologien
Solarglas: Mit der Energiewende wächst die Nachfrage nach borhaltigen Photovoltaik-Gläsern.
Elektronik und Spezialkeramik: Borate in Batterien, Superkondensatoren und Sensoren.
Medizin: BNCT-Therapien könnten Bor eine ganz neue Rolle in der Krebsbehandlung geben.
8.3 Globale Rohstoff- und Handelslage
Türkei: mit über 70 % der Reserven dominiert Eti Maden den Markt.
USA (Rio Tinto Borax): bleibt ein global bedeutender Anbieter.
China: teilweise Selbstversorgung, bei hochwertigen Borprodukten aber Importabhängigkeit.
Südamerika (Chile, Argentinien): aufstrebende Förderländer.
Die Zukunft des Bormarktes wird nicht nur über Preis und Volumen entschieden, sondern über Produktqualität, Spezialisierung und Nachhaltigkeit.
IX. Schlussfolgerung: Bor – klein in der Menge, groß in der Bedeutung
Von Borax-Pentahydrat bis DOT – die vier Hauptprodukte bilden zusammen ein vielseitiges Portfolio:
Borax-Pentahydrat: preiswert, stabil, Standard in Glas und Feldkulturen.
Borax-Decahydrat: rückläufig, heute v. a. in Waschmitteln.
Borsäure: schnell löslich, natriumfrei – Premiumlösung für Landwirtschaft und Glasfasern.
DOT: hochkonzentriert, effizient – unverzichtbar in Präzisionslandwirtschaft und Holzschutz.
In der Landwirtschaft ist Bor der stille Ertragsfaktor: ein Mangel führt sofort zu Qualitäts- und Mengenverlusten. In der Industrie ist Bor die unsichtbare Stütze: Glas, Keramik, Holzschutz und Hightech wären ohne Bor nicht auf heutigem Niveau.
Fazit: Bor ist ein Spurenelement mit makroskopischer Wirkung.Wer die richtige Borquelle auswählt, sichert nicht nur die Ernte, sondern gestaltet auch nachhaltige Industrien der Zukunft.




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